Körperwelten

 

 

Aus schwefelgelbem Nebel tauchen, nur teilweise sichtbar, menschliche Körper auf, wie von unsichtbaren Gewichten gedehnt, die Glieder auseinandergezerrt: der Mensch wird in den Bildern Rainer Wölzls zum Fragment, niemals ist er vollständig, zudem seiner schützenden Hülle entkleidet, schutzlos den Blicken des Betrachters ausgeliefert. Weit davon entfernt, Aktdarstellungen im klassischen Sinne zu paraphrasieren, geht der Maler dem Menschenbild unserer Epoche mit dem Pinsel schonungslos auf den Grund. Unwillkürlich denkt man an anatomische Darstellungen, die Glieder Hingerichteter bei Gericault etwa, oder an Schlachthöfe, die das Töten alptraumhaft repetieren.

 

Kein Zweifel, hier wird der Mensch in seiner körperlichen Essenz bloßgelegt, die conditio humana im 20. Jahrhundert zwischen alltäglicher Gewalt, die auch psychische Deformation mit einschließt, zwischen Folter und Krieg beschrieben, zwischen zerstörten Hoffnungen, unerfüllten Sehnsüchten und unerwünschten Phantasien.

 

Wie ornamentale Formen kreisen die Körper in einem undefinierten, lebensfeindlichen Raum umeinander, der ein metaphorischer Raum, der Realität entrückt, ist. Ein Reigen, der an das Umkreisen der Sonne durch die Planeten gemahnt, mit einer Distanz, die größer nicht sein könnte. Das vorgeführte Erstarren in einzelnen Positionen wirkt künstlich herbeigeführt, versucht das krampfhafte Herstellen einer Beziehung zwischen den Körpern, der keine Dauer beschieden sein kann und der die Tiefe möglicher menschlicher Empfindung längst abhanden gekommen ist. Der Reigen, der auch die Sexualität auf ihre obsessive Bedürfnisbefriedigung reduziert, wird zum modernen Totentanz. Beziehungen existieren in diesen Konstellationen nicht, Zweisamkeit wird auf ein Nebeneinander als Retortenzüchtung zum Genexperiment reduziert, der Versuch einer Verbindung mißlingt auf grauenerregende Weise (Passacaglia VII).

 

Rainer Wölzls Malerei gestaltet aus der Nuancierung der Farbe heraus, entwickelt aus der Monochromie, der er gestalterische Dominanz einräumt, seine Körper, die damit immer untrennbarer Teil des Umraums sind, von diesem gebunden werden. Der Gewalttätigkeit auf der inhaltlichen Ebene entspricht das gestische Motiv der Farbverläufe, die die Körperlichkeit wie in einem Säurebad aufzulösen scheinen. Ein Gefühl des Unentrinnbaren und der Hermetik geht von seiner Malerei aus, und dem Betrachter wird der Blick wie durch eine fleckige Glasscheibe ins Innere eines geheimnisvollen Laboratoriums gewährt, das dieser mit Schrecken als einen Spiegel erkennt.

 

Martin Stather, Wien 1998
(www.artlab.at)