Monotypie


Herr W. sitzt an seinem Tisch, der neben dem Fenster steht.
Nicht nur sein Schatten fällt auf eine schwarzgefärbte Kupferplatte,
auch der einer vorbeifliegenden Taube.
Ein Eindruck, zwei Ergebnisse.
Einer positiv, schwarz auf weiß, auf Transparentpapier,
einer negativ, weiß auf schwarz, auf einer Karteikarte,
mit dem Falzbeil abgerieben, oder mit Hilfe einer Presse gedruckt.
Beide das gleiche Motiv, die gleiche Zeichnung, übereinandergelegt,
sich gegenseitig fast auslöschend.
Eine einfache Drucktechnik, ein einmaliges Verfahren, eine Monotypie.
Der Entstehungsprozess ist fehleranfällig.
Die Farbe, die auf einer Kupferplatte steht, hinterläßt bei leichtester
Berührung Spuren, Abdrucke der Instrumente, der Stifte, der Finger,
des Werkzeugs.
Ein Anspruch, der nicht eingelöst wird, der den Fehler
als konstituierendes Moment mit einschließt.
Dennoch ein präzises Hand- und Augenwerk
der Sichtbarkeit der Auslöschung.
Ein Bilderkrieg, ein Informationskrieg, im Nachhinein, bis heute.
Die Hängung, ein Mobile, löst das Auratische beim leichtesten Windzug,
Flügelschlag.


Rainer Wölzl
(aus: Rainer Wölzl. Bildgeschwader. Schwarz Edition, Wien 2014)

 

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