Intervall – RAINER WÖLZL
Kunsthalle im Kunsthaus Nexus, Saalfelden

 

Die erste Begegnung mit dem Werk von Rainer Wölzl erfolgte durch meine Arbeit an der Ausstellung über figurative Skulptur im damaligen MUSA, dem Museum der Kulturabteilung der Stadt Wien, heute eine Dependance des Wien Museums. „Jedem, der sie zum ersten Mal sieht, prägen sich die Figuren von Rainer Wölzl sogleich auf Dauer ein – ihr typischer Schwebezustand zwischen gegenständlich lesbaren Körperformen und deren Verselbständigung in plastisch modellierten Chiffren behauptet eine selbständige Position im Spektrum des heute Möglichen und Praktizierten.“, schrieb Matthias Boeckl zu Wölzl Skulptur „Reigen“. 

 

Dem ist nichts hinzuzufügen und mir ging es damals genauso. Ausdrucksstark, expressiv, bewegt und zugleich nach innen gekehrt und stets an der Schnittstelle zwischen abstrakt und figurativ, die Wölzl so gekonnt bespielt. Die amorphen Körper seiner Bronzeskulpturen finden sich ebenso in den grafischen Arbeiten des Künstlers, oft formatfüllend auf einem Blatt oder schwebend im großformatigen, aus mehreren Einzelblättern bestehenden Arbeiten. Was stets darin zum Ausdruck kommt, ist die Fragilität des Seins. Die Körper schweben in einer Leere, scheinen Halt zu suchen.

In der Kunsthalle im Kunsthaus Nexus Saalfelden zeigt Rainer Wölzl  eine Rauminstallation, die aus verschiedenen Werkgruppen besteht und die Vielfalt seines Œuvres beschreibt, das Zeichnungen, Objekte, Installationen, Skulpturen, Malereien und Filme umfasst. Inhaltlich gibt es stets Querverweise durch die Medien hinweg und inhaltliche Bezüge. 

Interessant ist in Wölzl Werk nicht nur die Medienvielfalt sondern auch die Bandbreite der Formensprache. Dies wird besonders anschaulich in den mehrteiligen Zeichnungen, die als Block gehängt eine großformatige grafische Arbeit ergeben. Wölzl konstruiert darin eine neue, zuweilen fantastische Welt, die jedoch unmissverständlich Bezüge zur Realität herstellt – jedoch jenseits des Narrativen. Vielmehr verbindet er Motive aus verschiedenen Kontexten miteinander und entwickelt so neue Zusammenhänge. Ausschnitte aus Kunstwerken hängen neben Filmsequenzen, Eindrücke von Architektur oder Fragmente von Körpern.

 

Solcherart kombiniert er geschickt (kunst-)historische Motive mit zeitgenössischen politischen, sozialen und kulturellen Themen. Und auch die historischen Zitate sind nicht ohne Kritik an der Gegenwart. So verweist der Ausschnitt aus Charlie Chaplins Film „Moderne Zeiten“ auf den Maschinenterror, die Architektur des profitablen Investmentunternehmens „Black Rock“ auf die kapitalistische Marktwirtschaft, die „Stock Tickers“ auf die Macht der Börse. Und auch die anderen Zeichnungen zeigen dieses höchst komplexe Bildkonzeption, durch die Wölzl ziemlich deutlich zum kritischen Kommentator der Gegenwart wird. So entpuppt sich in der sechsteiligen Kohlezeichnung „Der Trichter“, der kleinen See in einem idyllischen Waldstück als Bombentrichter und in der ebenfalls sechsteilige Kohlezeichnung „European Security Fencing“, das abstrakt wirkendes Motiv, als Teil eines messerscharfen (NATO-)Klingendrahts. Doch ohne Erklärung bleibt diese Thematik häufig dem schnellen Blick verborgen. Wölzl fordert Auseinandersetzung ein.

 

In drei Objekten (Holz/Grafit), installiert auf hauchdünnen Bleiplatten, konzentriert Wölzl mit Augenzwinkern das Wesen der Welt: ein Polyeder für die Ratio, ein Maulwürfshügel für das Chaos, ein kippender Sessel für das schwankende menschliche Sein. 

 

Wölzl bezeichnete einmal seine Arbeiten als „textbezogen“ wie Matthias Boeckl über den Künstler schrieb, sie also „immer wieder mit literarischen Werken in Verbindung bringt. [...] Denn die »Geschichten« sind schon in Texten erzählt, die Bilder führen weiter in eine andere Welt.“  In Saalfelden zeigt Wölzl die 2019 entstandene Serie von 13 Monotypien, die Paul Celans Gedicht „Engführung“ von 1958, künstlerisch interpretieren. Celan nahm darin den  literarischen Versuch zwischen der Erfahrung des Holocaust als Überlebender und dem Weiterexistieren in einer immer noch gewalttätigen Gegenwart zu vermitteln. Was auffällt ist, dass Wölzl sowohl in der Literatur, in den Filmen auf die er sich bezieht stets eindrücklich zeigt, dass selbst historisches Material die Gegenwart erneut beschreiben kann, oder bestimmte Themen, Fragestellungen anspricht. 

Die Labilität des Seins, das stete Bemühungen um ein Gleichgewicht, die Suche nach der Balance, das Aufbäumen und Zerfallen der Macht, ebenso wie das menschliche Scheitern sind stets gegenwärtig und wohl zeitlos und bietet dem in der Gegenwart arbeitenden Künstler neue Ansatzpunkte um diese Bezüge in die Gegenwart fortzuschreiben.

 

1983 beschrieb Wölzl seine Malerei als eine des Verschwindens „Alles was ich sehe, mir auffällt, mir zustößt, ist bereits vergangen (...) Vergangenheit – Vergehen – Verschwinden. Was bleibt sind Spuren, ist die Erinnerung, das Auftauchen, die Erscheinung, das Auslöschen der Zeit – zeitlos (...).“ Ein Thema, das er auch mittels der fünfteiligen Arbeit „Intervall“ von 2013, anspricht, die aus fünf schwarzen Leinwandbildern besteht, die gleich Objekten an die Wand gelehnt werden, bzw. am Boden liegen. Seine Vorliebe für Schwarz prägt auch die Ausstellung in Saalfelden. Sie ist immateriell, raumlos und unbestimmt“, so die Kuratorin der Ausstellung Petra Noll.  (Quelle: Pressetext Petra Noll / Kunsthalle im Kunsthaus Nexus, Saalfelden)

 

Silvie Aigner
aus: Kunstmagazin PARNASS  https://www.parnass.at/news/intervall-rainer-woelzl

 

 

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