Seit einigen Jahren beschäftigt sich der österreichische Maler Rainer Wölzl auch mit Plastik. Das wäre nicht so ungewöhnlich, da Doppelbegabungen im 20. Jahrhundert keine Seltenheit sind und gerade in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die Malerei häufig schon den Weg in die dritte Dimension genommen hat, aber bei Rainer Wölzl ist dabei ein besonderes Phänomen zu beobachten: Während seine plastischen Figurationen voll prallen Lebens ihre bronzene Haut beinahe zu sprengen scheinen, verschwinden die figurativen Elemente allmählich aus seiner Malerei. Rainer Wölzl nannte seine Kunst gelegentlich sogar eine "Malerei des Verschwindens", in deren tiefen Farbräumen die Figuration an den "Rand des Verstummens" getrieben sei.
Dieser gegenläufige Prozeß des Verschwindens der Figur aus der Malerei und des Auftauchens in der Plastik kennzeichnet einen Teil seiner Arbeit der letzten Jahre. Rainer Wölzl's Arbeit könnte auch mit dem Begriff Mehrfachkodierung beschrieben werden. - Unter Anwendung unterschiedlichster Erfahrungen, wie informeller, tachistisch prozeßorientierter Malerei, konkreter Figuration und konstruktiver Elemente, ist Wölzl der heutigen Wirklichkeit, präziser der Gewaltsamkeit dieser Wirklichkeit, auf der Spur.
Dieses beharrende Vermögen und die Verweigerung, Bewußtes und Unbewußtes zu trennen, macht dieses Werk so eigenständig und gerade in seiner Methode der Reduktion so einprägsam.
Eine Ausstellung mit dieser besonderen künstlerischen Position zu veranstalten, erscheint nicht nur interessant, sondern wichtig und sogar notwendig, um Aufschluß zu geben über die Möglichkeiten dieses Künstlers und zugleich über mögliche Tendenzen der Gegenwartskunst. Die Städtische Galerie im Museum Folkwang versteht sich als Ort des Experiments, als ein Platz, an dem neue, junge Kunst eine Chance erhält, als ein Prüfstand für Entwicklungen, die in Kürze schon zum Arrivierten gehören können. Hier muß und wird sich Rainer Wölzls Kunst behaupten.
Gerhard Finckh, Essen 1992
(Ausstellungskatalog des Folkwang Museums, Essen)